Widerstand gegen Pegida - Frankfurt bleibt bunt!

20. Dez 2015 20:00

Als Tierbefreiungsgruppe sehen wir, Tierbefreiung Frankfurt, uns als Teil einer progressiven, emanzipatorischen Bewegung. Darunter verstehen wir, politisch auf eine Gesellschaft hinzuarbeiten, in der jegliche Diskriminierungsformen und Herrschaft keinen Platz finden. Dies beinhaltet nicht nur eine Beendigung der Ausbeutung von nichtmenschlichen Tieren und Menschen, die im Rahmen des kapitalistischen Systems tagtäglich die Zerstörung der Umwelt, Leid und Tote fordert, sondern auch die Dekonstruktion rechter Ideologien zum Zweck eines übergreifenden solidarischen Miteinanders.

Gerade Bewegungen wie die Frankfurter Ableger von Pegida sowie die parteiliche Politik von beispielsweise CDU, AfD und den Freien Wählern machen deutlich, dass es nicht reicht, sich nur gegen „die Extremen“, die Neonazis, zu engagieren. Regressives, rassistisches Gedankengut lässt sich auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft sowie rechtspopulistischen Strömungen finden und ist auch dort subtil anschlussfähig, wo sich einerseits offensiv vom Nationalsozialismus distanziert wird und andererseits die für rechts typischen „Anderen“ verantwortlich gemacht und ausgeschlossen werden.(1)

Die Pegida-Bewegung verbreitet nicht nur unsachliche Propaganda, einfache Welterklärungsmuster (nach dem Motto: „Die Immigrant_innen sind an allem schuld“, Verfall der „christlich/deutschen Werte“, niedrige Renten usw.), sondern schürt auch irrationale Ängste und kanalisiert die Wut auf altbekannte Stereotype, wie „die kriminellen Ausländer_innen“ - Sündenbockpolitik anstatt die Wurzeln ihrer tatsächlichen Probleme in den materiellen Umständen zu suchen. Offene Islam- und Fremdenfeindlichkeit sind an der Tagesordnung.(2)


 

Heidi und ihre Freien Bürger

Initiiert wurde die Frankfurter Pegida-Bewegung von Heidi Mund(3) im Januar 2015, welche auch in den weiteren Monaten das personelle Zentrum von Pegida Frankfurt Rhein-Main blieb und dafür sorgte, dass an Montagen der Ausnahmezustand in der Frankfurter Innenstadt mit massivem Polizeiaufgebot, Kontrollen, Festnahmen, Gittern und Auseinandersetzungen zwischen den Fronten eintrat.(4) So organisierte sie hartnäckig wöchentliche Kundgebungen in der Frankfurter Innenstadt, zu denen auch AfD-nahe Personen und NPD-Kader sowie Autonome Nationalist_innen mit viel Deutschlandfahnen-Geschwenke auftauchten.(2)

Mund verbindet christlich-fundamentalistische Wertevorstellungen mit nationalistischem Gedankengut und fordert „Deutsche“ auf, Stolz auf „ihr Land“ und „ihre Sprache“ zu entwickeln und der – in ihren Augen – angeblichen Gefahr durch den Islam (die „Islamisierung Deutschlands“) bzw. hier lebende muslimische Menschen entgegenzutreten. Eine sogenannte spirituelle Wiedergeburt Deutschlands sei von Nöten.(5)

Dabei scheut sie nicht davor zurück, fremdenfeindliche Hetze öffentlich kundzutun und streut allerhand menschenverachtenden Unsinn über mediale Netzwerke und mittels Redebeiträgen auf Kundgebungen. So behauptet sie beispielsweise, dass Gruppen-Vergewaltigungen durch „Moslems“ von der Justiz nicht verfolgt werden würden, weil sich die „Sharia schon eingeschlichen“(6) und eine sogenannte Paralleljusitz etabliert hätte. Mund wendet sich aber auch gegen das politisch linke Spektrum, welche der Mehrheit die das Binnen-I aufgezwungen hätte und wettert, dass die politisch Linken die wahren Faschisten_innen seien, die Deutschland und die christlichen Werte gefährdeten.

Diese Politik ging schließlich auch Lutz Bachmann, Dresdener Pegida-Mitbegründer, zu weit, der öffentlich vor allem die schwache Beteiligung an und die Sicherheit der Frankfurter Pegida-Kundgebungen bemängelte, die gegen die antifaschistischen Gegenproteste nicht ankämen und letztendlich Mund und ihrer lokalen Initiative die Nutzung des Labels untersagte.(7) Mund ließ sich davon nicht abhalten und führte ihren Protest unter dem Namen „Freie Bürger für Deutschland“(8) weiter. Dass sogar Bachmann jedoch auch die offensichtlich nationalistisch-hetzerischen Inhalte Munds aufstießen, wurde klar, als Pegida Frankfurt Rhein-Main eine Wiedergeburt durch Hans-Joachim Weber erfahren durfte, die jedoch lediglich mit einer einmaligen schlecht besuchten Kundgebung in Frankfurt auftrat.(9)

Als letzter big player der Frankfurter Pegida-Bewegung ist der „Widerstand Ost/West“(10) rund um Ester Seitz (Bayerische Pegida) zu nennen, mit dem eine Taktikänderung einherging. Zum einen mobilisierte der „Widerstand Ost/West“ nun neben den gängigen Besucher_innen der Pegida-Kundgebungen auch die Hooligan-Szene. Zum anderen sollte es statt kleinen Kundgebungen mit hoher Frequenz eine große Demonstration in Frankfurt geben, die deutschlandweit beworben wurde. Diese entpuppte sich aber letztendlich lediglich als Rundgang der Fremdenfeindlichen in einem riesigen Polizeikäfig, geschützt durch ein enormes Polizeiaufgebot und ohne die erwartete 1000-personenstarke Beteiligung – dafür mit starken antifaschistischen Blockaden der möglichen Käfigausgänge.(11)


 

Widerstand und strategische Konflikte

Die wöchentlich abgehaltenen Kundgebungen und Demonstrationen spiegeln eine rassistische Stimmung wider, die zwar bereits vor 2014 präsent war, schüren diese aber bedeutend weiter. Das dramatische Ansteigen von Übergriffen auf Flüchtlinge, Brandanschlägen auf und Sachbeschädigungen an Unterkünften bereits vor(1) und insbesondere seit den Pegida-Kundgebungen(12) steht vor diesem Hintergrund.

Da wir diese Verhältnisse als inakzeptabel und die politischen Positionen als nicht tolerierbar befinden, haben wir uns seit Beginn der Pegida-Kundgebungen in Frankfurt im Januar 2015 an der Mobilisation zu Blockaden sowie deren Aufbau und Gestaltung beteiligt.(13) Nach der erfolgreichen Blockade der ersten Pegida-Demonstration mit ca. 3000 bis 4000 Pegida-Gegner_innen (gegen ca. 80 bis 100 Pegida-Befürworter_innen) sanken nicht nur die Zahlen der Pegida-Befürworter_innen (die sich auf ca. 15 bis 30 Personen einpendelte), sondern auch die der Blockierer_innen (auf 500 und schließlich 300 bis 200).

Die verschiedenen Organisationen, welche recht unabhängig gegen Pegida mobilisierten (Die Partei, Anti-Nazi-Koordination (ANK), verschiedene antifaschistische Gruppen und auch wir) waren sich uneinig über das Potenzial der Teilnehmer_innenzahl. So veranstaltete Die Partei vor allem eine große „Party“ zwecks Übertönung der Pegida-Durchsagen und wohl auch zur Parteiwerbung, die viele Antifaschist_innen anzog und auch oft von antifaschistischen Gruppen unterstützt wurde, die diese als Plattform für ihre Redebeiträge nutzen.

Die ANK und wir sprachen uns hingegen zunächst immer für eine Blockade der Demonstration/Kundgebung aus. Es muss erwähnt werden, dass Mund in den meisten Fällen eine Demonstration ankündigte und hartnäckig auf deren Durchführung bei der – von ihr sehr geschätzten Polizei – einforderte. Dass es meistens lediglich zu einer Kundgebung kam, ist den Menschen zu verdanken, die sich in Kleingruppen an den Ausgängen des Veranstaltungsortes der Beginn-Kundgebung versammelten. Wir schätzten es als möglich ein, mit einer Verteilung der 200 bis 300 Leute auf die Zugänge/Ausgänge des Veranstaltungsortes zur Demoroute diese erfolgreich zu blockieren. Dass die Polizei die Route nicht freigab, konnte auch tatsächlich oft mit „nur“ 30 entschlossenen Antifaschist_innen pro Blockadepunkt erreicht werden!

Die Die-Partei-Party fing jedoch immer mehr Pegida-Gegner_innen ein, sodass die Besetzung der Ausgänge immer dünner wurde. Wir versuchten daraufhin mit Die Partei zu kooperieren und baten in einem Fall mehrmals um eine Durchsage, sodass die Personen auf der „Party“ über die brenzlige Lage an den Blockadepunkten informiert und mobilisiert werden sollten. Leider verweigerte Die Partei und auch Teile der in dem Moment anwesenden Frankfurter linken Szene diese strategische Zusammenarbeit. Die Gründe dafür bleiben uns unbekannt. Wir können nur spekulieren, ob Die Partei tatsächlich aufrichtig besorgt um die Antifaschist_innen war, die sich ggf. Polizeigewalt aussetzen würden, wenn sie sich an den Blockadepunkten beteiligten oder ob es vielmehr darum ging, Personen nicht von ihrer Werbe-Veranstaltung wegzumobilisieren. Aufgrund dieser Umstände kam es leider auch zu kleinen Demonstration der Pegida-Gruppe, wobei die frühzeitigen Blockierer_innen und die spontan entschlossenen mit massiver Polizeigewalt konfrontiert wurden.(14)

Wir waren mit dieser Situation der Nicht-Kooperation auch innerhalb der Anti-Pegida-Bewegung recht unzufrieden, sodass wir uns dazu entschlossen, grassroot-strategisch vorzugehen. So druckten wir massenhaft Flyer mit einer Karte des Kundgebungsortes und Umgebung, auf denen alle Blockadepunkte eingezeichnet waren und die mit dem Aufruf, sich zu diesen zu begeben, überschreiben waren. Diese Flyer verteilten wir an mehreren Veranstaltungen in der Menge und erklärten die strategische Situation, um den Pegida-Gegner_innen sowohl die Information zugänglich zu machen als auch ihren ihre Handlungsoptionen aufzuzeigen. Erfreulicherweise fruchtete diese Strategie mehrmals, sodass einige Menschen sich zu den Blockadepunkten begaben und so viele Pegida-Demonstrationen verhinderten.


 

Unser Fazit

Obwohl es in der Blockademobilisation Probleme und frustrierende Konflikte gab, bewerten wir rückblickend den Widerstand gegen Pegida & Co als Erfolg. Denn es gab immer Hunderte Gegendemonstrant_innen, die ihren Protest lautstark kundtaten, nationalistischem und fremdenfeindlichem Gedankengut buchstäblich in den Weg stellten und letztendlich einen längeren Atem beweisen, sodass die Pegida-Proteste in Frankfurt weniger aufgesucht wurden, im Laufe der Zeit lediglich Kundgebungen angekündigt waren und schließlich mit dem 20.6. (vorläufig) ein Ende fanden.(15)

Für uns waren diese Monate eine intensive Zeit, da wir nicht nur regelmäßig an Mobilisation, Verbreitung von Blockadetipps und Anti-Repressions-Informationen, personeller Beteiligung an Blockaden, Nachbereitung und strategischer Formung mitwirkten, sondern auch andere Themen verfolgten. So hielten wir parallel zu den Pegida-Gegenprotesten auch die Hintergrundarbeit der Kampagne Frankfurt Tierzirkusfrei am Laufen und organisierten Aktionen gegen die Ausbeutung von Pferden durch Apassionata, gegen Tierausbeutung in Zirkussen (Videoaktionen in der Innenstadt und vor Zirkussen mit Tiernummern) sowie gegen den Echtpelzverkauf durch P&C, gegen den Transport von „Versuchstieren“ durch Air France-KLM und beteiligten uns an Blockupy.

Auch wenn unser übergreifendes Engagement an die Grenzen unserer Kapazitäten ging, befinden wir es trotz dessen gerade vor dem Hintergrund rechtsoffener Tendenzen in der Tierrechtsbewegung (siehe unseren offenen Brief an Animal First in der letzten Ausgabe der Tierbefreiung) als sinnvoll und notwendig auch bewegungsintern zu wirken und den eigentlich gefestigten linken, herrschaftskritischen Kurs der Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung zu bestärken.


 

Tierbefreiung Frankfurt


 


Fußnoten:

(1) Vgl. Litschko, Konrad (2014): Der Volksmob rast, in: TAZ.de, Jahrgang 2014: http://www.taz.de/!134080/ [Aufruf: 31.1.2015]

(2) Vgl. Voigts, Hanning (2015): Pegida in Frankfurt: NPD mischt sich unter Pegida, in: FR-Online, Jahrgang 2015: http://www.fr-online.de/frankfurt/pegida-in-frankfurt-npd-mischt-sich-unter-pegida-,1472798,29690462.html [Aufruf: 31.1.2015]

(3) Heidi Mund erregte erstmals großes Aufsehen, als sie bei einer Gesangseinlage eines Imams im Rahmen eines Konzerts in der Speyerischen Gedächtniskirche eine Deutschlandfahne entrollte und unter anderem: „Jesus Christus allein ist Herr über Deutschland“, skandierte. Vgl. The Christian Broadcasting Network: Brave German Woman: Heidi Mund Rebunked Islam: https://www.youtube.com/watch?v=yFKSRWQ54lk [Aufruf: 13.10.2015]

(4) Der einst in AfD-Kreisen beheimatete 72-jährige Hans Joachim Weber war ebenfalls bei der Gründung des Frankfurter Pegida-Ablegers beteiligt. Vgl. [Autor_in nicht angegeben] (2015): [FFM] Heidi Mund und Hans Joachim Weber - "Pegida Frankfurt Rhein-Main", auf: Indymedia linksunten: https://linksunten.indymedia.org/de/node/133074 [Aufruf: 13.10.2015]

(5) Vgl. The Christian Broadcasting Network: Brave German Woman: Heidi Mund Rebunked Islam: https://www.youtube.com/watch?v=yFKSRWQ54lk [Aufruf: 13.10.2015]

(6) Vgl. Heidi Mund: Rede Heidi Mund in Kassel: https://www.youtube.com/watch?v=BFdF-J2nRGQ [Aufruf: 13.10.2015]

(7) Vgl. Crolly, Hannelore (2015): Lutz Bachmann dreht Frankfurter Pegida den Saft ab, in: Die Welt: http://www.welt.de/politik/deutschland/article138465853/Lutz-Bachmann-dreht-Frankfurter-Pegida-den-Saft-ab.html [Aufruf: 13.10.2015]

(8) Busch, Sandra (2015): Pegida-Ableger Freie Bürger für Deutschland: Demo mit Festnahmen und Verletzten, in: FR-Online: http://www.fr-online.de/frankfurt/pegida-ableger-freie-buerger-fuer-deutschland-demo-mit-festnahmen-und-verletzten,1472798,30405594.html [Aufruf: 13.10.2015]

(9) Vgl. Thorwarth, Katja (2015): Hauptwache: Pegida-Demo zieht nicht, in: FR-Online: http://www.fr-online.de/frankfurt/hauptwache-pegida-demo-zieht-nicht-,1472798,30490814.html [Aufruf: 13.10.2015]

(10) [Autor_in nicht angegeben] (2015): Ester Seitz, BAGIDA - die Gewaltfreiheit in Person, auf: Indymedia linksunten: https://linksunten.indymedia.org/de/node/143027 [Aufruf: 13.10.2015]

(11) Vgl. Voigts, Hanning (2015): Demos in Frankfurt WOW: Kein guter Tag für die Rechte, in: FR-Online: http://www.fr-online.de/frankfurt/demos-in-frankfurt-wow-kein-guter-tag-fuer-die-rechten,1472798,31008348.html [Aufruf: 13.10.2015]

(12) Vgl. [Autor_in nicht angegeben] (2015): Zahl rassistischer Übergriffe steigt, in: Zeit Online, Jahrgang 2015: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-01/pegida-anstieg-gewalt-gegen-migranten [Aufruf: 3.2.2015]

(13) Eine ausführliche Liste unserer Aktionen mit Rückblickberichten ist hier einsehbar: Tierbefreiung Frankfurt: Aktionen: http://www.tierbefreiung-frankfurt.org/aktionen/

(14) Vgl. beispielsweise: Anti-Nazi-Koordination (2015): PEGIDA Frankfurt, 23.2.: Demo-Persiflage und Pfefferspray/Proteste gegen nächsten Montag um 17:00 Uhr weiter/Kontaktmailadresse für Pfefferspray- und Polizeigewalt-Videos: https://antinazi.wordpress.com/2015/02/24/pegida-frankfurt-23-2-demo-persiflage-und-pfefferspray-proteste-gegen-nachsten-montag-um-1700-uhr-weiter-kontaktmailadresse-fur-pfefferspray-und-polizeigewalt-videos/ [Aufruf: 24.2.2015]

(15)Vgl. Thorwarth, Katja (2015): Pegida und Heidi Mund: Die "Freien Bürger" sind am Ende, in: FR-Online: http://www.fr-online.de/frankfurt/pegida-und-heidi-mund-die--freien-buerger--sind-am-ende,1472798,30740182.html [Aufruf: 12.10.2015]