Rückblick zur kritischen Begleitung der Freie-Bürger-Kundgebung
11.4.2015, 14:00 UhrFrankfurt/Rossmarkt
Als Tierbefreiungsgruppe sehen wir uns als Teil einer progressiven, emanzipatorischen Bewegung. Darunter verstehen wir, politisch auf eine Gesellschaft hinzuarbeiten, in der jegliche Diskriminierungsformen und Herrschaft keinen Platz finden. Dies beinhaltet nicht nur eine Beendigung der Ausbeutung von nichtmenschlichen Tieren und Menschen, die im Rahmen des kapitalistischen Systems tagtäglich die Zerstörung der Umwelt, Leid und Tote fordert, sondern auch die Dekonstruktion rechter Ideologien zum Zweck eines übergreifenden solidarischen Miteinanders.
Gerade Bewegungen wie der Frankfurter Ableger von Pegida - der sich inzwischen in "Freie Bürger für Deutschland" umbenannt hat1 - sowie die parteiliche Politik von beispielsweise CDU, AfD und den Freien Wählern machen deutlich, dass es nicht reicht, sich nur gegen „die Extremen“, die Neonazis zu engagieren. Regressives, rassistisches Gedankengut lässt sich auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft, rechtspopulistischen Strömungen finden und ist auch dort subtil anschlussfähig, wo sich einerseits offensiv vom NS distanziert wird und andererseits die für rechts typischen „anderen“ verantwortlich gemacht und ausgeschlossen werden.2
Die Pegida-Bewegung verbreitet nicht nur unsachliche Propaganda, einfache Welterklärungsmuster (nach dem Motto: „Die Immigrant_innen sind an allem schuld“, Verfall der „christlich/deutschen Werte“, niedrige Renten uvm.), sondern schürt auch irrationale Ängste und kanalisiert die Wut auf altbekannte Stereotype, wie „die kriminellen Ausländer_innen“ - Sündenbockpolitik anstatt die Wurzeln ihrer tatsächlichen Probleme in den materiellen Umständen zu suchen. Offene Islam- und Fremdenfeindlichkeit stehen an der Tagesordnung.3
Die ehemals wöchentlich abgehaltenen Kundgebungen und Demonstrationen spiegeln eine rassistische Stimmung wider, die zwar bereits vor 2014 präsent war, schüren diese aber bedeutend weiter. Das dramatische Ansteigen von Übergriffen auf Flüchtlinge, Brandanschlägen auf und Sachbeschädigungen an Unterkünften bereits vor2 und insbesondere seit den Pegida-Kundgebungen4 steht vor diesem Hintergrund.
Wir riefen deshalb ebenfalls dazu auf, die für Samstag, den 11.04.2015, angedachte Freie-Bürger (Ex-Pegida)-Kundgebung kritisch zu begleiten! Die ehemals Pegida - nun “Freien Bürger für Deutschland” - versammelten sich ab 15:30 Uhr auf dem Frankfurter Rossmarkt mit gerade mal 40 Teilnehmer_innen trotz Star-Auftritt von Michael Stürzenberger (Bagida). Bereits ab 14:00 Uhr begann der lautstarke Gegenprotest, zu dem sich zu guter Letzt ein paar Hundert Antifaschist_innen einfanden. Die Freie-Bürger-Veranstaltung beschränkte sich zum einen auf Fahnenschwenken sowie auf das Abhalten interner unverständlicher Reden (vor allem da der Käfig sehr weiträumig von der Polizei gezogen wurde und die Soundanlage der Homophoben nicht leistungsstark genug war) und zum anderen auf aggressive Beschimpfungen und Provokationen durch Stürzenberger, woraufhin eine Handvoll Antifaschist_innen über die Absperrgitter kletterte und versuchte die Polizeikette zu durchbrechen. Es folgte eine Reihe von Repressionsmaßnahmen, wie die Anti-Nazi-Koordination berichtet:
"Nachdem er [Stürzenberger] in kurzem Abstand zum Absperrgitter und von Polizei flankiert provozierend GegendemonstrantInnen beschimpfte verloren in verständlicher Wut einige von ihnen die Geduld und versuchten, über das Absperrgitter und die dahinter psotierte Polizeikette auf den Platz der Rassisten zu gelangen. Dabei wurde eine Antifaschistin festgenommen und nach Personalienfeststellung wieder freigelassen. Eine ähnliche Szene wiederholte sich später an anderer Stelle, wobei ein Antifaschist von der Polizei geschlagen und danach ins Polizeipräsidium gebracht wurde. [...]
Gegen Ende der Gegenkundgebung wurde eine Gruppe von AntifaschistInnen aus unbekanntem Anlass plötzlich von einem BFE-Greiftrupp der Polizei attackiert, mindestens drei von ihnen festgenommen und ebenfalls ins Polizeipräsidium verbracht. Die AntifaschistInnen beantworteten dies mit einer Spontandemo zum Polizeipräsidium, die über längere Zeit die Eschersheimer Landstraße von der Innenstadt bis zur Miquelallee lahmlegte. Nach einem Katz-und Mausspiel der DemonstrantInnen mit der Polizei im Holzhausenviertel gelang es, nah ans Präsidium zu gelangen und zugleich den Verkehr im Bereich Echersheimer Landstraße / Miquelallee zu blockieren. Daraufhin bot die Polizei an, die Demo könne vor dem Haupteingang des Präsidiums auf die festgenommenen AntifaschistInnen warten. Bis alle schließlich freigelassen worden waren dauerte es bis 21:10 Uhr. Ein Festgenommener musste nach seiner Freilassung wegen einer gebrochenen Hand und einer Kopfverletzung zum Notarzt gebracht werden, ein anderer berichtete, er sei wegen seiner Weigerung, sich auszuziehen, in der Zelle von vier Beamten gewaltsam ausgezogen worden. Es gab weitere Verletzte wegen polizeilicher Gewalt, nicht zuletzt erneut durch Pfefferspray."5
Wir sprechen unsere tiefste Solidarität mit den Betroffenen staatlicher Repressalien, politische Stellungnahmen der BRD in der Praxis, aus und hoffen, dass diese tatkräftige Unterstützung durch Strukturen wie der Roten Hilfe6 und/oder Out of Action7 finden. Kein Mensch muss sich diese Schikane bieten lassen! Zu guter Letzt ist zu vermerken, dass an diesem Samstag - trotz Wochenende - die Teilnehmer_innenzahlen der Ausländer_innenfeinde minimal bleibt und durch entschlossenen antifaschistischen Gegenprotest eine Demonstration verhindert werden konnte. Wichtig ist, nicht locker zu lassen und sich nicht auf den Erfolgen auszuruhen, denn am 20.4.2015 möchte Heidi Mund erneut mit ihrem Haufen regressiver Hassbürger aufmarschieren!
Fußnoten:
1 [Autor_in nicht angegeben] (2015): "Freie Bürger" wollen auf dem Römerberg demonstrieren. PEGIDA-NACHFOLGER UM HEIDI MUND, in: Journal Frankfurt, Jahrgang 2015: http://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Politik-10/Pegida-Nachfolger-um-Heidi-Mund-Freie-Buerger-wollen-auf-dem-Roemerberg-demonstrieren-24071.html [Aufgerufen am 26.03.2015]
2 Litschko, Konrad (2014): Der Volksmob rast, in: TAZ.de, Jahrgang 2014: http://www.taz.de/!134080/ [Aufgerufen am 31.1.2015]
3 Voigts, Hanning (2015): Pegida in Frankfurt: NPD mischt sich unter Pegida, in: FR-Online, Jahrgang 2015: http://www.fr-online.de/frankfurt/pegida-in-frankfurt-npd-mischt-sich-unter-pegida-,1472798,29690462.html [Aufgerufen am 31.1.2015]
4 [Autor_in nicht angegeben] (2015): Zahl rassistischer Übergriffe steigt, in: Zeit Online, Jahrgang 2015: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-01/pegida-anstieg-gewalt-gegen-migranten [Aufgerufen am 3.2.2015]
5 Anti-Nazi-Koordination (2015): PEGIDA in Frankfurt: unhörbar.: https://antinazi.wordpress.com/2015/04/11/pegida-in-frankfurt-unhorbar/ [Aufgerufen am 12.4.2015]
6 Rote Hilfe: http://www.rote-hilfe.de/ [Aufgerufen am 12.4.2015]
7 Out of Action: https://outofaction.net/ [Aufgerufen am 12.4.2015]